Diagnose Epilepsie. Für den damaligen Spitzenturner Lucas Fischer bricht eine Welt zusammen. Im Alter von 20 Jahren erkrankt er an Epilepsie und steht vor der schwierigen Frage «Kann ich als Epileptiker meine Karriere im Nationalkader fortsetzen?» Er entscheidet sich, das grosse Risiko einzugehen – und wird belohnt. Mit seiner Barrenübung gewinnt Lucas Fischer an der EM 2013 die Silbermedaille und er gilt als Schweizer Favorit für die Olympischen Spiele in Rio. Doch das Glück währt nicht lange, das Schicksal legt ihm bald weitere Steine in den Weg. Seine bewegende Geschichte erzählt er nun zusammen mit der Journalistin Katrin Sutter im Buch «Tigerherz».
Das Interview mit Lucas Fischer zu seinem Buch Tigerherz
Lucas Fischer, Sie haben mit erst 27 bereits ein Buch veröffentlicht, warum?
Ich habe schon ein ganzes Turnerleben gelebt… Mit dem Buch «Tigerherz – die Schicksalsgeschichte eines Spitzenturners mit Epilepsie» will ich unter anderem dieser in der Öffentlichkeit schlecht bekannten Krankheit ein Gesicht geben, erzählen, was es heisst, Epileptiker zu sein. Ich habe in meinem noch kurzen Leben schon sehr viel erlebt, von unglaublichen Höhenflügen aber auch mehrere Episoden, wo ich ganz am Boden war. Ich habe mich immer wieder hochgekämpft, immer wieder den Mut gefunden, mich neu zu erfinden. Die Reaktionen auf das Buch sind unglaublich. Viele schreiben mir, meine Geschichte haben ihnen geholfen, auch selber wieder Mut zu finden.
Mit Epilepsie zu turnen – ist das nicht unglaublich gefährlich?
Alle meine Anfälle waren in Ruhephasen. Mehrmals gleich nachdem ich mit einer Übung fertig war und auf der Matte stand. Einmal sogar an einem Wettkampf. Das war sehr einschneidend. Turner aus drei Nationen haben mich gesehen, dazu die Kampfrichter und Zuschauer.
Nach den ersten Anfällen hatte ich zu Beginn riesige Angst und ein paar Wochen lang wusste ich nicht, ob ich wirklich jemals wieder turnen werde. Aber die Leidenschaft war grösser, ich nahm das Risiko in Kauf. Und ich erturnte die Silbermedaille in Moskau. Sie ist mein persönliches Gold! Heute weiss ich, es gibt weitere Spitzenathleten, die Epilepsie haben. Aber kein anderer steht in der Öffentlichkeit dazu. Dabei wäre das so gut, um Vorurteile gegenüber dieser Krankheit abzubauen.
Das Buch gibt aber auch Einblick in das Leben eines Spitzenturners?
Ja absolut, es bietet auch einen Einblick hinter die Kulissen der Turnwelt. Ich trainiere ja seit ich viereinhalb bin. Da habe ich einiges erlebt. Ich erzähle darin auch Anekdoten aus meiner Kindheit und von Wettkämpfen. Meine Eltern haben den einen oder anderen Streich erst aus dem Buch erfahren…
Sie mussten vor den Olympischen Spielen Forfait geben – dabei hatten Sie 20 Jahre ihres Lebens darauf hin trainiert. Wie war das?
Das war brutal. Ich hatte Olympia 2012 wegen eines epileptischen Anfalls verpasst. Ich setzte also voll auf Rio. Ich hatte zahlreiche Operationen und acht epileptische Anfälle in meiner Karriere, aber zum Schluss setzte mich eine Wunde an der Hand, die nie mehr verheilen wollte und während Monaten immer wieder aufbrach, ausser Gefecht. Ich litt grosse Schmerzen und musste mein geliebtes Turnen aufgeben. Ich fiel danach in ein tiefes Loch. Erst die Arbeit am Buch und meine eigene Show haben mir geholfen, mich wieder zu finden.
Ein Jahr nach dem verpassten Rio stehen Sie ganz woanders? Sie sind jetzt nicht mehr Sportler sondern Künstler?
Ja, Bühnenkünstler. Ich habe meine eigene Show und diesen Sommer spielte ich während sechs Wochen an den Thunerseespielen, und zwar eine Akrobatenkatze in Cats. Das war eine grossartige Zeit, die ich mit vielen anderen Artisten teilen durfte. Das ist meine neue Welt, ich fühle mich dort sehr zu Hause. Im Buch «Tigerherz» wird dieser Wandel vom Sportler zum Artisten auch beschrieben. Diesen Weg werde ich nun weitergehen, mit Gesang, Akrobatik und Tanz. Man wird dieses Jahr noch mehr von mir hören!
Lucas Fischer/Katrin Sutter
Tigerherz – die Schicksalsgeschichte eines Spitzenturners mit Epilepsie
ISBN: ISBN: 978-3-9524654-0-0
«Tigerherz» ist ein berührendes Porträt über einen Kämpfer, der trotz herber Rückschläge den Mut zu träumen nicht verliert. Das Buch gibt Einblick hinter die Kulissen der Turnerwelt und lässt den Leser erfahren, was es heisst, als Turner auf dem Zenit der Karriere an Epilepsie zu erkranken. Im Frühsommer 2017 war das Buch in der Schweizer Bestsellerliste. 200 Seiten inkl. Fotos aus Kindheit und Karriere von Lucas Fischer.